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Baden zwischen Bäumen

Baden zwischen Bäumen
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Der Mensch lässt sich im Wald nieder, weil er im Einklang mit der Natur sein will. In Japan gilt der Aufenthalt im Wald sogar als Medizin, das Waldbaden zur ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge. Einer, der die Verbindung zwischen Natur, Materialität und Mensch in seiner Architektur erfahrbar macht, ist der japanische Star-Architekt Kengo Kuma. Mitten im Wald der bayrischen Voralpen hat er ein filigranes Meditationshaus geschaffen. Dort kann man den Wald ganz intensiv spüren.

Wer Stadtstress und Hektik hinter sich lassen möchte, sollte es mit Shinrin-yoku probieren. Übersetzt bedeutet der Begriff „Baden in der Waldluft“; das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei hat ihn Anfang der 1980er Jahre geprägt. Mittlerweile hat sich Waldbaden in Japan als ernst zu nehmendes Forschungsfeld und Teil der Gesundheitsvorsorge etabliert. Mehr als sechzig Waldtherapiezentren und speziell angelegte Therapiewege gibt es dort. Als Wiege des Shinrin-yoku gilt der über 728 Hektar große Akasawa Natural Recreational Forest nahe der Stadt Agematsu mit seinen über 300 Jahre alten Kiso cypress trees.

Der starke Bezug zum Wald und die Verehrung von Bäumen haben im fernöstlichen Raum und besonders in Japan eine lange Tradition. Seit jeher gelten Bäume als Sitz der shintoistischen Götter. Bäumen huldigt man deswegen vor dem Fällen und bittet sie um Vergebung. Noch heute finden sich in den Wäldern viele kleine Schreine mit Opfergaben und Geschenken für die Waldgeister. Insofern erscheint es nur logisch, dass Gestresste und Erkrankte den Wald aufsuchen, um sich zu erholen.

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Der japanische Architekt Kengo Kuma greift das Material des Waldes – das Holz – für den Pavillon auf. Das Glas verbindet Architektur und Natur nahtlos.
Foto: Anneliese Kompatscher
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„Das Material ist magisch.“

Den Wald als Ort der Ruhe, Rekreation und Kontemplation hat auch der japanische Architekt Kengo Kuma für ein aktuelles Projekt in Deutschland genutzt.
Er lieferte den Entwurf für ein hölzernes Meditationshaus auf dem Gelände des bayerischen Hotels Kranzbach, in einem abgelegenen Fichtenhain am Fuß des Wettersteingebirges. Hier kulminiert die restaurative Waldumgebung, die dem Menschen hilft, sich von der geistigen Erschöpfung zu erholen, in Form des Meditationshauses, in dem ebenfalls die geistige Beruhigung im Vordergrund steht.

Die Harmonie mit dem Wald sei ihm besonders wichtig gewesen, betont Kengo Kuma. Auch für den Aufraggeber und Hotelbesitzer Jakob Edinger war es elementar, „kein ordinäres Gebäude zu schaffen, sondern eher über eine Kapelle, einen Tempel nachzudenken – ohne die Natur zu dominieren“. Entstanden ist eine filigrane Holzarchitektur, die mit ihrer Umgebung verschmilzt. Über 1,500 Holzschindeln aus heimischer Weißtanne verkleiden die schlichte Außenhülle des Gebäudes. Innen bilden sie ein dreidimensionales Muster an Decke und Wänden und verstärken den Eindruck, dass Außen und Innen ineinander übergehen. „Es ist ein wunderbares Holz“, sagt Edinger, „es ist nicht laut – das passt gut zu unserer Vision von Rückzug.“ Mit der Zeit wird die Weißtanne ihre Farbe ändern, einen grau-silbrigen Ton annehmen. Der natürliche Baustoff wird nicht verfremdet, nicht verkünstelt, er behält seine ganze Identität, so dass die Architektur genauso wie die Nature fortwährend natürliche Veränderungsprozesse durchläuft. „Holz ist ein sehr japanischer Baustoff“, sagt Kengo Kuma. „Ich bin in Häusern aus Holz groß geworden; ihren Duft habe ich in der Nase. Das Material ist magisch. Es prägt einen Raum ganz wesentlich, mehr als andere Materialien, weil es atmet und nach etwas riecht.“

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Von Außen betrachtet, scheint es, keinen geschlossenen Innenraum zu geben. Die Holzkonstruktion schwebt dank des Glases. Foto: Anneliese Kompatscher
Aufgetaucht aus der Schneedecke: Kengo Kumas Meditationshaus ist eins mit dem Wald. Foto: David Schreyer
Abgeschottet und doch mittendrin. Foto: David Schreyer
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Trotz dass sich der Meditierende im Inneren befindet, ist er wie beim Waldbaden von Bäumen, von Holz umgeben und der Blick reicht hinaus in die Tiefe des Waldes. Bis zum Boden reichen die drei offenen Fensterflächen im Hauptraum. Meditieren ist hier aber kein Muss. Man darf bei komplett freier Sicht in den Fichtenwald auch nur dasitzen und das Sonnenlicht und seine Spiegelung auf die Farne, Gräser und das Moos im Wald bewundern. So wirkt das Haus wie ein Erlebnisverstärker der Natur. „Der Pavillon ist eine Art Engawa – das ist der japanische Begriff für den Holzbalkon an traditionellen japanischen Häusern“, erklärt der Architekt. „Menschen können darin die Natur spüren, but in an intimate way.“ Eine große Schiebetür lässt sich öffnen, Geräusche und Gerüche gelangen hinein. Kengo Kumas Haus filtert damit das Wesen des Waldes genauso wie der Wald selbst Licht und Luft. „Das Tempo unseres Lebens nimmt weiter zu, ständig strömen durch die digitalen Medien Informationen auf uns ein“, sagt Kengo Kuma. „Als Gegengewicht wollen immer mehr Menschen, die in Städten vor allem in Gebäuden aus Beton und Stahl arbeiten oder wohnen, zurück zur Natur“, so der Architekt. Dieser Drang, das per se Städtische hinter sich zu lassen und sich der Natur hinzugeben, verdeutlicht einmal mehr die Dringlichkeit, die Natur zu bewahren und sie nicht durch unkontrollierte, kurzsichtige Bebauung zu zerstören. Kengo Kuma sagt von sich, dass er großen Respekt für die Natur empfinde. Den Bauplatz hatte er deshalb eigens so abgesteckt, dass möglichst wenige Bäume gefällt werden mussten. Im Winter wurden sie geschlagen und einzeln über die dicke Schneedecke mit einem Pferd aus dem Wald gezogen, erklärt die Architektin Barbara Poberschnigg vom Innsbrucker Architekturbüro Lois, die Kengo Kumas Entwurf vor Ort umgesetzt hat. Mittlerweile sind die Spuren der Bauarbeiten nicht mehr sichtbar. Zurück bleiben der Wald und Kumas leise architektonische Intervention. Beides in Kombination macht das Naturerlebnis Wald damit in zwei Sphären möglich.

 

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Text: Ute Strimmer

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